Daniel Kehlmann: F

Darum geht’s: Es ist der Sommer vor der Wirtschaftskrise. Martin Friedland, katholischer Priester ohne Glauben, trifft sich mit seinem Halbbruder Eric. Der hochverschuldete Finanzberater hat unheimliche Visionen, teilt davon jedoch keinem etwas mit. Schattenhafte Männer, sogar zwei Kinder warnen ihn, nur: Gelten diese Warnungen wirklich ihm, oder ist sein Zwillingsbruder Iwan gemeint, der Kunstkenner und Ästhet? Daniel Kehlmann erzählt von drei Brüdern, die – jeder auf seine Weise – Betrüger, Heuchler, Fälscher sind. Sie haben sich eingerichtet in ihrem Leben, doch plötzlich klafft ein Abgrund auf.

Roman
Copyright/Erscheinungsjahr: 2013
Seitenzahl: 379
Erzählstruktur: Von sechs Teilen sind vier durch jeweils wechselnde Ich-Perspektiven erzählt. Die anderen beiden Teil werden von einem auktorialen Erzähler wiedergegeben.
Pressestimmen:
„Ein spannendes und melancholisches Buch, halb Familien- und halb Geistergeschichte. Und ja, sogar unterhaltsamer als Die Vermessung der Welt.“ (SZ-Magazin)
„Beeindruckend, wie F mit jeder Veränderung der Perspektive an Rasanz und Dichte gewinnt. So nah kamen sich philosophischer Roman und Pageturner noch nie.“ (Die Welt)
„Wie alle großen Romane ist F vielfältig deutbar, ein im besten Sinne irrwitziges Metawerk, in dem es schlechterdings um alles geht.“ (Die Zeit)
„Ein Buch von funkelnder Klugheit, listig, boshaft und doch voller Freundlichkeit: ein großer, unterhaltsamer Roman über die unlösbaren Rätsel des Lebens.“ (die tageszeitung)
„Ein virtuoses, versponnenes, oft witziges Buch.“ (Der Spiegel)
„Ein elegant und frappierend leichtfüßig geschriebenes Gedankenspiel über die Frage nach Schicksal und Bestimmung, Wahrheit und Lüge, Original und Fälschung.“ (Frankfurter Allgemeine Zeitung)

So hat das Buch auf mich gewirkt:
Ist es möglich „F“ zu bewerten, ohne dabei „Die Vermessung der Welt“ im Hinterkopf zu haben? Eigentlich müsste man die beiden Werke völlig unabhängig voneinander betrachten, schließlich haben die beiden weder im Bezug auf Inhalt noch auf Stil etwas miteinander gemein. Und doch reicht die Tatsache, dass „F“ und „Die Vermessung der Welt“ von Daniel Kehlmann geschrieben wurden, um mich zu vergleichenden Aussagen hinreißen zu lassen.
Anders als bei „Die Vermessung der Welt“ hat mich nicht gleich die erste Seite mit ihrem ironisch-humorvollen Stil gecatched. Um genau zu sein, ist „F“ überhaupt nicht humorvoll. Dafür behandelt es Themen, die uns allen begegnen und mit denen wir uns mehr oder weniger auseinandersetzen müssen. Zum Einem ist da das große F. Das Fatum, das Schicksal, das einem einfach zufällt und ohne erkennbares Muster Geschehnisse und Begegnungen beeinflusst. Um über die seltsamen Verflechtungen der Menschen untereinander zu staunen, muss man dabei gar nicht an das Schicksal glauben. Zumindest hatte ich nicht das Gefühl, dass der Glaube an ein ominöses Schicksal der Aufhänger des Buches war.
Zum Anderen kreist das Buch auch um das Thema Familie und Fälschung/Falschheit. Das Buch ist in sechs Teile gegliedert, wovon einer sogar mit „Familie“ überschrieben ist. Dieser Teil gilt in der Lebenswelt der drei Brüder Iwan, Eric und Martin als ein Werk ihres Vaters Arthur, der seine Söhne nach einer Hypnose-Show zugunsten seines schriftstellerischen Durchbruchs verlassen hat. „Familie“ ist eine lapidar dargestellte Erzählung der Familienlinie. Beginnend bei der Gegenwart mit dem eigenen Vater wird jede Generation knapp in einem Absatz mit „Sein Vater war …“ beginnend abgehandelt. Auf groteske Art wird aufgezeigt, wie stark sich die einzelnen Generationen beeinflussen, ohne dass dieser Einfluss über die Zeit noch bemerkbar wäre. Letzten Endes bleibt selbst von der eigenen Familie nach dem Tod der jeweils betreffenden Person nicht mehr viel.
Der Teil „Familie“ sticht durch seinen Stil und durch sein Setting/seine Bedeutung innerhalb des Buches deutlich heraus. Neben diesem treten auch „Der große Lindemann“ und „Jahreszeiten“ als besondere Teile hervor, da sie die Kerngeschichten der drei Brüder umrahmen und sich durch einen auktorialen Erzählstil von diesen drei Teilen abgrenzen.
„Das Leben der Heiligen“ (Martin), „Geschäfte“ (Eric) und „Von der Schönheit“ (Iwan) sind jeweils in der Ich-Perspektive mit Innensicht geschrieben und erzählen aus dem Leben der Brüder, jeweils im selben zeitlichen Rahmen. Diese drei Teile fand ich persönlich am überzeugendsten. Der Leser tritt an die Figuren heran und findet Kontaktflächen zu diesen. Dadurch wird auch ganz konkret klar, weshalb es sich bei allen drei Brüdern um Betrüger handelt. Keiner entspricht dem Bild, das er von sich in der Öffentlichkeit zeichnet. An dieser Stelle fragt man sich unweigerlich, wie es denn um einen selbst bestellt ist. In Wechselwirkung mit den anderen Teilen, die sich wiederum stärker mit der Frage nach dem Fatum beschäftigen, entsteht ein Geflecht aus philosophischen Überlegungen und menschlichen Unsicherheiten.
Im Grunde scheint mir „F“ also ein gutes, wohlüberlegtes Buch mit außergewöhnlichem Stil und Aufbau zu sein. Und dennoch ist bei mir der Funke nicht übergesprungen. Lediglich die drei Geschichten der Brüder fand ich zugänglich, da mir die Ich-Perspektive einen gewissen Kontaktpunkt geboten hat. Dennoch wurde meiner Meinung nach die dem Buch zugrundeliegende Thematik viel zu abstrakt und distanziert abgehandelt. Die Verflechtung von Fakt und Fiktion, Familie und Fatum wurden für mich nicht greifbar , sondern war lediglich eine vage Ahnung im Hintergrund. Insgesamt konnte ich keinen rechten Zugang zu dem Buch finden, sodass es bei mir leider keinen bleibenden Eindruck hinterlassen hat.
Ernüchternd!

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